Ich erinnere mich“ – so beginnt man eine Schreibreise durchs Leben

Ich erin­ne­re mich, dass ich vor eini­gen Jahren Stichworte zum Leben mei­nes Großvaters notiert habe. Und wie erstaunt ich war, wie viel in 85 Jahre passt. Die Lebensstationen schwarz auf weiß zu sehen, das ist noch ein­mal etwas ande­res, als sich hier und da zu erinnern.

Mein Großvater als Kind in Sorau, als 17-jäh­ri­ger Soldat in Russland. Als jun­ger Mann, der aus der Kriegsgefangenschaft zurück­kehrt. Als Bote, Automechaniker, Hausmeister bei der ame­ri­ka­ni­schen Besatzungsmacht in Unterfranken, als Gesamtbetriebsrat bei Philips, als Sachbearbeiter bei der AEG. Wirtschaftswunder, Swing, Mauerbau, Kalter Krieg, Computerzeitalter – auch das Stücke sei­nes Lebens. Schade, dass er dar­über nichts auf­ge­schrie­ben hat. Denn tat­säch­lich habe ich mir die Stichworte anläss­lich der Trauerfeier für ihn notiert. Wie drückt es ein afri­ka­ni­sches Sprichwort aus? Wenn ein alter Mensch stirbt, ver­brennt eine Bibliothek.

Ja, das Leben ist wert­voll und es soll­te mehr als nur notier­te Stichworte dazu geben. Gleichzeitig kann ich gut nach­voll­zie­hen, dass das bio­gra­phi­sche Schreiben vie­le schreckt. Hat man nicht unver­mit­telt das Gefühl, es müss­te ein dickes Buch geplant und gefüllt wer­den? Wo anfan­gen, vor allem wenn das Leben fort­ge­schrit­ten und die Vergangenheit vol­ler Ereignisse ist?

Anfangen mit „Ich erinnere mich”

Ich bin eine gro­ße Freundin des „Ich erin­ne­re mich“-Schreibens. Das Vorgehen ist spie­le­risch, kurz­wei­lig und schnip­sel­haft. Und es macht das Anfangen leicht! 15 Minuten (oder nach Bedarf und Lust auch mehr) sind zu inves­tie­ren. Blätter und Stift noch hin­zu, und schon sind Sie ausgestattet.

Das Prinzip die­ses Vorgehens ist auch eben­so über­sicht­lich wie die not­wen­di­ge Austattung. Beginnen Sie immer mit „Ich erin­ne­re mich …“ und schrei­ben Sie immer nie­der, was Ihnen in den Sinn kommt. Seien Sie gna­den­los unre­flek­tiert und spon­tan. Es geht nicht dar­um, gezielt nach­zu­den­ken, son­dern um das unmit­tel­ba­re Notieren der Gedanken. So wie Ihre Gedanken flie­ßen, flie­ßen auch Ihre Themen auf das Blatt. Nach einer Erinnerung gehen Sie wei­ter zur nächs­ten. Jede neue beginnt wie­der mit dem Anfang „Ich erin­ne­re mich …“. Im Fachjargon wird die­ses Vorgehen seri­el­les Schreiben genannt, weil der Satzanfang wie­der und wie­der die Einleitung bildet.

Übrigens gibt es einen gan­zen Roman, bei dem jeder Absatz mit „Ich erin­ne­re mich“ beginnt. Joe Brainard hat ihn geschrie­ben und der Titel lau­tet „Ich erin­ne­re mich“.

Mein Buch beginnt übri­gens … ach, Sie kön­nen es sich bestimmt den­ken … Wer schau­en mag, hier gibt es eine Leseprobe inklu­si­ve Buchanfang.