Namenstrend zur Tradition – ein neues Bild vom Altern?

Heute leben vie­le Menschen lang. Aber unter den Linas, Gustavs, Oskars und Friedas und wie sie so alle in den Kindergärten hei­ßen, haben sehr sehr vie­le die Chance lan­ge zu leben. Einer Studie der Universität Rostock und der Universität von Süddänemark in Odense nach, wird jedes zwei­te Kind, das nach 2000 gebo­ren ist, älter als 100 Jahre werden.

Und irgend­wie fin­de ich es inter­es­sant, dass die künf­ti­ge Generation 100plus die Namen der heu­ti­gen Generation 100plus trägt. Namen hoch­be­tag­ter Menschen, Namen, die sich so gar nicht kind­lich anhö­ren, weil man geneigt ist, im Geiste ein Tante oder Onkel davorzustellen.

Liegt da ein Weitblick der Eltern mit im Spiel, die das Unternehmen Altern schon berück­sich­ti­gen? Ist der Namenstrend zur Tradition ein Zeichen für ein neu­es Bild vom Altern — eines, das ange­passt ist an die Perspektive, dass man viel mehr Zeit als älte­rer denn als jun­ger Mensch verbringt?

Nun, der renom­mier­te Namensforscher Jürgen Gerhards sieht die pho­ne­ti­sche Attraktivität als einen der aus­schlag­ge­bends­ten Gründe an, dass Eltern Kindern bestimm­te Namen geben – „Der Name klingt schön“ oder „Wir haben ihn gehört und er hat uns gefal­len“ so oder ähn­lich lau­ten die gän­gi­gen Antworten, wenn man bei Eltern nachfragt.

Daneben sieht der Professor für Soziologie auch gesell­schaft­li­che Veränderungen wir­ken. Vor allem die Individualisierung trei­be Eltern an, einen beson­de­ren Namen für den Nachwuchs zu fin­den. Einen cha­rak­ter­vol­len Namen, einen ten­den­zi­ell unge­wöhn­li­chen, einen nicht zu ver­rück­ten. Gerne einen aus der Tradition – oder aus einem ande­ren Sprachraum.

So gese­hen, gibt es kei­nen wis­sen­schaft­li­chen Beleg, dass bei tra­di­ti­ons­ori­en­tier­ten Namensvergaben ein ande­res Bild vom Altern mit­ein­spielt. Aber es gilt auch, dass sich die Forschung zur Namensgebung noch in den Kinderschuhen befin­det, man weiß, dass man vie­les nicht weiß.

Ich fän­de es auf jeden Fall schön, wenn all die jun­gen Linas, Gustavs, Oskars und Friedas auch für einen gewei­te­ten Blick ste­hen, den Eltern auf das irdi­sche Leben wer­fen, das Kindheit eben­so wie Altern umfasst. Altern ist ein lebens­lan­ger Prozess und ihn im Blick zu haben, ist hilf­reich: für die rich­ti­ge Mischung aus Befreitheit, um jede Lebensphasen in ihrer Einzigartigkeit zu schät­zen, und Bewusstheit, dass die Weichen für das Künftige heu­te gestellt wer­den. „Ein alter Mann ist ein Kind mit Vergangenheit“, sagt der slo­we­ni­scher Autor Žarko Petan. So oder so ist es eine schö­ne Gegebenheit, dass wir den Linas, Gustavs und Co. heu­te sowohl als Kindern mit viel Vergangenheit wie auch als Kindern mit viel Zukunft begegnen.