„Bald wird Arbeiten bis 70 zum Normalfall“ betitelte die „Welt“ diese Woche einen Artikel. Renommierte Wissenschaftler kamen zu Wort – Grundtenor: steigende Lebenserwartung und bessere Gesundheit machen längeres Arbeiten ebenso unumgänglich wie problemlos. Aber ist dem wirklich so? Kann ein Berufsleben einfach in Proportion zu den gewonnenen Lebensjahren verlängert werden?
Tatsache ist: auch bei vielen Berufen, die körperlich nicht schwer belasten, kann das Altern einer Ausübung Grenzen setzen – die nachlassende Fingerfertigkeit beim Uhrmacher; der altersbedingte Rückgang der Sehschärfe beim Elektriker; Beeinträchtigungen im taktilen Bereich beim Mikrochirurgen.
Dass sich jemand im Alter 60plus insgesamt körperlich wohl fühlt, das bedeutet nicht automatisch, dass beruflich alles rosarot bleibt. In der zweiten Lebenshälfte treten unausweichlich Abbauprozesse auf, und auch nur einer reicht manchmal aus, um eine Berufslaufbahn zu beenden. Man muss also differenziert betrachten, bei welchen Tätigkeiten welche Anforderungen an Motorik, Kraft und Sinne gestellt werden.
Eine differenzierte Sichtweise kann helfen, frühzeitig einen Plan B auf den Weg zu bringen. Und bestenfalls wird der Erwerbstätige bei dessen Umsetzung von der Umwelt tatkräftig unterstützt. Neben lebenslangem Lernen muss in der Zeit demographischen Wandels auch spätes Umlernen und Umsatteln gesellschaftlich gedacht und möglich gemacht werden.
Den Medien kommt eine Schlüsselposition zu, die verschiedenen Aspekte, Chancen und Grenzen längerer Lebensarbeitszeit zu thematisieren. Es wäre schön, wenn sie mit Altersbildern arbeiten, die die Stärken wie auch die Schwächen des Alters beleuchten. So kann man adäquat auf sie reagieren und die Zukunft realistisch planen. „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“, hat Antoine de Saint-Exupery einstmals formuliert.