Das schlechte Bild vom älteren Autofahrer

Wer ger­ne über­hitz­te Debatten führt, dem emp­feh­le ich das Thema „Ältere Autofahrer“. Selbst sanf­tes­te Menschen zei­gen plötz­lich ande­re Seiten – „Herzinfarkt am Steuer“, „Geisterfahrer“, „Sonntagsfahrer mit Hut“, „Alle zur Untersuchung, aber drin­gend“ – wie vehe­ment älte­re Fahrzeuglenker stig­ma­ti­siert wer­den, das ent­setzt mich bei Diskussionen immer wieder.

Tatsächlich ent­beh­ren die­se Ansichten einer empi­ri­schen Basis. Denn Statistiken und Analysen zeigen,

  • dass älte­re Autofahrer kei­ne Hauptproblemgruppe im Straßenverkehr sind, son­dern die aller­meis­ten Unfälle nach wie vor Fahranfänger ver­ur­sa­chen – hier fin­den sich trau­ri­ge Spitzenwerte,
  • dass die Unfallursache Herzinfarkt ers­tens zah­len­mä­ßig eine gerin­ge Rolle spielt, und zwei­tens sogar häu­fi­ger im Alter bis 65 Jahren vorkommt,
  • dass Ältere ihre Defizite wahr­neh­men und sich dar­an anpas­sen. Etwa indem sie Autofahrten bei Dunkelheit und schlech­tem Wetter meiden.

So weit, so gut! Oder bes­ser for­mu­liert: So weit, aber noch nicht schlimm genug! Denn das unge­recht­fer­tigt schlech­te Bild vom älte­ren Autofahrer zeigt noch eigen­tüm­li­che­re Blüten. Neuere ver­kehrs­psy­cho­lo­gi­sche Forschung der TU Dresden hat nach­ge­wie­sen, dass sogar die Älteren vor­ur­teils­be­las­te­te Sichtweise haben: Zwar hiel­ten die Befragten sich selbst in der Regel für gute Autofahrer, ihre Alterskollegen beur­tei­len sie aber ger­ne als gemäch­li­che, teils über­for­der­te und unsi­che­rer Verkehrsteilnehmer.

Altersstereotype, ver­all­ge­mei­ner­te Vorstellungen über alte Menschen, die hat man, wenn man jung ist. Und man behält sie, wenn man alt wird – nur dass man sich selbst von den nega­ti­ven Vorurteilen aus­nimmt. Deswegen ist es drin­gend notwendig,

  • dass sich eine dif­fe­ren­zier­te­re Sicht älte­rer Autofahrer durchsetzt,
  • und dass sich wis­sen­schaft­li­che Erkenntnisse über die Fahrkompetenzen Älterer ver­brei­ten. Sie soll­ten noch mehr Platz in den Medien fin­den als bislang.

Jüngere und auch Ältere brau­chen einen rea­lis­ti­sche­ren Blick auf das, was im Alter mög­lich ist: Dass man­che noch mit über 100 Jahren ein Auto füh­ren kön­nen und ande­re ihre Fahrtüchtigkeit früh ein­bü­ßen. So nimmt der 105-jäh­ri­ge Neuseeländer Bob Edwards nach wie vor mit dem Auto am Straßenverkehr teil, wäh­rend sei­ne Frau das letz­te Mal mit 61 hin­ter dem Steuer geses­sen hat. Nichts ist so indi­vi­du­ell wie das Altern – Altersbilder soll­ten bunt und nicht nega­tiv sein.